Warum weinst du?

"Warum weinst du?"

 

"Ich weine, weil ich so sehr spüre, dass ich hier nicht zu Hause bin."

 

"Wie meinst du das? Du bist doch eben erst hierher gezogen?"

 

"Es liegt nicht an dieser Wohnung. Ich kann es dir nicht erklären, du würdest es nicht verstehen."

 

"Dann versuche es doch. Ich bin mir sicher, ich verstehe dich."

 

"Ich wohne nicht hier, ich wohne in den Blättern, in den Bäumen, in der Gischt des Meeres und im Wind. Ich kann es so sehr spüren, dass es mich traurig macht und zum Weinen bringt, weil die Sehnsucht so groß ist. Die Sehnsucht vereint zu sein. Und so kommt es, dass ich nach einem anderen gegenpoligen Menschen suche, um durch ihn meine Sehnsucht zu stillen. Aber da ist niemand, da ist kein Gegenpol."

 

"Hör‘ auf zu weinen! Er wird schon noch kommen."

 

"Aber das ist es ja. Er wird kommen und ich werde merken, dass er mir die Sehnsucht nicht nehmen kann. Die Verbindung mit ihm kann der Verbindung zur Heimat nicht stand halten. Die Sehnsucht wird bleiben, bis ich zurück darf. Und das ist es was mich traurig macht. Ich bin hier mit allen Vorzügen die mir das Leben bietet. Und ich verschmähe es, weil ich um die Wahrheit weiß. Wie kann ich hier sein und mich jenseits wünschen, wo hier der schönste Sommertag anbricht und er sich ehrfürchtig vor mir verbeugt, um von mir benutzt zu werden?"

 

"Ich finde du solltest jetzt mal raus gehen und frische Luft schnappen. Das wird dir gut tun."

 

"Ist gut. Warte, ich hol‘ noch schnell meine Jacke."